Vom Ruess im Gsicht zur Larve

Teggscht vom 7. Februar 2018 Christian Platz vo barfi.ch

 

Vermummte Gestalten trieben in Basel zur Fasnachtszeit bereits im 14. Jahrhundert ihr Unwesen. Doch die Larve, wie wir sie heute kennen, ist ein Kind der 1920iger Jahre. Die meisten klassischen Basler Fasnachtsfiguren stammen übrigens nicht vom Rheinknie, sondern aus dem Ausland. 

In Basel wurde die Fasnacht, soviel ist urkundlich belegt, schon vor der Reformation nach dem ersten Fastensonntag gefeiert, auch dauerte sie in jener Zeit bereits drei Tage. Doch das Erscheinungsbild des fasnächtlichen Treibens hatte vor 600, 700 Jahren mit dem heutigen noch überhaupt nichts zu tun. Es ist nicht etwa so, dass damals schon Waggis und Alti Dante durch die Stadt gezogen wären. Die meisten Leute hätten sich im alten Basel sowieso keine wohlfeilen Kostüme leisten können. So gesehen sind wohl alte Nachthemmli und mit Kohle oder Russ geschwärzte Gesichter die klassischsten Basler Fasnachtskostüme. Vom absoluten Schminkverbot, das heutzutage während der drey scheenschte Dääg am Rheinknie für Erwachsene gilt, konnte früher keine Rede sein.

Professionelle Maskenspieler

Es gab im Mittelalter bereits professionelle Maskenspieler, dies waren meist fahrende Theaterleute, die gut gemachte, dramatisch bemalte Teufels-, Dämonen- und andere Fantasie-Larven trugen, welche die damalige Kundschaft fast zu Tode erschreckten, doch mit Fasnacht, Fastnacht oder Karneval hatte dies überhaupt nichts zu tun, es war ganz einfach gutes, altes Show-Business. An der Fasnacht ging es bei der Maskiererei früher in erster Linie darum, sich unkenntlich zu machen, um unter dem Schutz einer Maske Schabernack an der Grenze zur schweren Körperverletzung treiben zu können.

Papier, Wachs, Leder

Die heutige Fasnacht, mit ihrem Gepräge und ihre «klassischen Figuren» ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Wobei Larven auf der Strasse zunächst keine grosse Rolle spielten, sie waren eher an den Maskenbällen beliebt. Getrommelt wurde früher oft unmaskiert, in Uniform. Die ältesten Larven, die in Basel erwiesenermassen getragen wurden, waren aus Holz, es gibt aus dem 16. Jahrhunderten Darstellungen von solchen Masken, die eher an innerschweizer Bräche gemahnen. Im 19. Jahrhundert wurden dann Masken aus Italien, Frankreich und Deutschland importiert. Sie waren oft sehr günstig und alles andere als solide, angefertigt aus Papier, Wachs oder – selten – aus Leder.

Waggis in den 1920iger Jahren – Foto Lothar Jeck.

Sich prügeln und den Frauen nachstellen

Aus dem 19. Jahrhundert stammen auch die ersten genuinen Basler Fasnachtsfiguren, die Alti Dante, s Märtfraueli und dr Waggis, letzter war einfach die Karikatur eines Elsässer Taglöhners, von denen gab es hier viele, sie galten den vornehmen Baslern als Grobiane, die viel tranken, sich prügelten und den Frauen nachstellten. Der Ur-Waggis hatte weder Zähne noch eine grosse Perücke, sondern eine Zipfelkappe oder einen Strohhut auf dem Kopf, auch die Nase ist mit den Jahrzehnten stetig gewachsen. Die anderen «klassischen» Kostüme kamen praktisch alle aus dem Ausland hierher, ausser dem Stänzler, der nichts anderes als ein uniformierter Stadtgardist ist, also eine Art Schugger von anno dazumal.

Europäische Narrenfiguren

Der Ueli ist natürlich mit Til Ulenspiegel bzw. Eulenspiegel verwandt, einer aufrührerischen Narrenfigur, die vor allem in Flandern und Deutschland populär war, deren Auftritt an den klassischen Hofnarren gemahnt. Der Harlekin kam direkt aus Italien zu uns, aus der berühmten «Commedia dell’arte», in der er eine ähnliche Rolle spielt, wie bei uns der Käsperli. Der Pierrot ist von französischen Pantomimen-Darstellern des 19. Jahrhunderts beeinflusst. Der Blätzlibajass ist mit dem französischen Pailasse verwandt, einer klassischen Figur des komischen Theaters. Und der Alfrangg ist einfach ein gutbetuchter Bürger des 17. Jahrhunderts in Garde-Uniform.

«Dr Indianer»

Die frühen Sujets der alten Basler Cliquen waren oft Aufzüge, die königliche Hochzeiten, höfische Zeremonien oder heldenhafte Entdeckungsreisen auf fremden Kontinenten darstellten. Auch exotische Motive waren sehr beliebt, zum Beispiel sind viele Cliquen in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts als Indianerstämme gelaufen, dieses Kostüm war eine Zeit lang derart beliebt, dass man «dr Indianer» durchaus zu den klassischen Fasnachtsfiguren zählen könnte.

Die Basler Künstlerlarve

Die so genannte Basler Künstlerlarve, das Vorbild unserer heutigen Larven, entstand in den 1920iger Jahren. 1921 entschied sich die Olympia für das Sujet «Moderne Kunst», konnte aber partout keine passenden Larven für dessen Umsetzung finden. Also wandten sich die Herren an die Kulissenbildner des Stadttheaters, es war Paul Rudin, der den Olympern im Malersaal des Theaters kaschierte Larven anfertigte, die mit Gipsnegativen und Papiermaché gemacht wurden. Diese Technik hat sich in Basel dann rasch durchgesetzt.

Adolf Tschudin

1925 trat dann Adolf Tschudin auf den Plan, er erkannte das Potenzial dieser Herstellungsmethode und hatte die Idee, bekannte Basler Künstler für die Entwürfe seiner Larven anzuwerben, darunter Irène Zurkinden, Otto Abt und Max Wilke. So wurde dr Larve-Tschudin bald zum führenden Lieferanten der Basler Cliquen. Alsbald stiegen weitere Künstler und Kunsthandwerker in das Metier ein – und schon zehn Jahre später gab es in der Stadt mehrere renommierte Larven-Ateliers. Allerdings waren Larven und Kostüme damals noch viel einfacher und weniger robust gemacht als heute.

Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg

Es war der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg, der die Qualität des Basler Fasnachtsmaterials entscheidend voranbrachte. Es war schlicht mehr Geld da, für bessere Stoffe, Farben, Lacke und so weiter. Auch der Tragekomfort wurde immer besser, weil sich die Technik des Anpassens zusehends verfeinerte. Leider werden inzwischen immer mehr Larven industriell tiefgezogen und bestehen aus allerlei Kunstharzen oder Polystyrol – was schon um einiges weniger heimelig ist, als Papiermaché. Aber halt auch billiger.